Die Viehzüchter sind zufrieden. Das
neue Waldgesetz Brasiliens wird demnächst beschlossen. Präsidentin
Dilma Rousseff setzt auf Rindfleischexporte und einigt sich mit der
Agrarlobby. PORTO ALEGRE taz | In
Brasilien geht die Debatte um ein neues Waldgesetz in die Schlussphase:
Nun soll der Senat in Brasília über einen Entwurf abstimmen, der von der
Regierung bereits als Kompromiss zwischen Landwirtschaft und
Umweltschutz gefeiert wird. Nach einem weiteren Votum des
Abgeordnetenhauses will Präsidentin Dilma Rousseff das Gesetz, durch das
Umfang und Respektierung der Schutzgebiete neu definiert werden,
unterzeichnen.
Als Gastgeberin des
UN-Umweltgipfels Rio+20 im Juni 2012 will die Staatschefin den lästigen
Streit um das Waldgesetz noch in diesem Jahr begraben. "Wir sind
vielleicht das einzige Land auf der Welt mit dem Zeug zur Agrar- und
Energiemacht, ohne dass wir dabei die Artenvielfalt und den Respekt vor
der Umwelt aufgeben müssen", sagte Rousseff letzte Woche vor dem
Großfarmerverband CNA.
Die Landwirtschaft schätzt
Rousseff als Devisenbringer: Agrarprodukte, allen voran Soja und
Rindfleisch, machen 37 Prozent von Brasiliens Exporten aus.
Siegesgewiss kann sich die
Farmerlobby schon jetzt geben. Acir Gurgacz, Senator des bereits
weitgehend entwaldeten Bundesstaates Rondônia, freut sich darüber, dass
die "Pioniere" und ihre Nachfahren in Westamazonien so weitermachen
können wie bisher - die Agrarier hatten erreicht, dass "kleinere"
Grundstücke mit einer Fläche von bis zu 440 Hektar wohl nicht mehr
aufgeforstet werden müssen.
Eine bittere Niederlage
Der Agronom José Eli da Veiga sagt voraus, das neue Gesetz
werde vor allem den "Billigexport von Naturresourcen" in Form von
Rindfleisch beflügeln. Damit widerspreche es den Zielen der
brasilianischen Klimapolitik und den Bestrebungen, die einheimischen
Betriebe durch Innovationen wettbewerbsfähiger zu machen. Die Weichen
dazu wurden letzte Woche im Umweltausschuss des Senats gestellt.
"Es war eine unserer bittersten
Niederlagen", meint Marina Silva, die grüne Präsidentschaftskandidatin
des Jahres 2010. Die Umweltbewegung, im Kongress nahezu ohne Stimme,
will am heutigen Dienstag in Brasília demonstrieren und die Präsidentin
an ihr Vetorecht erinnern.
Auch die wissenschaftliche
Community sieht sich weitgehend an den Rand gedrängt. Umfragen zufolge
lehnen vier Fünftel der Brasilianer eine Aufweichung des Waldgesetzes ab
- im Kongress sieht es genau andersherum aus.
Bereits im Mai, bei der ersten
Abstimmung im Abgeordnetenhaus, hatten sich die Agrarier auf der ganzen
Linie durchgesetzt. Doch eine offene Amnestie für Waldzerstörer wäre für
Rousseff peinlich - im Wahlkampf 2010 hatte sie gelobt, so etwas nicht
zuzulassen. Jorge Viana, Senator des Amazonas-Bundesstaates Acre und wie
die Präsidentin Mitglied der Arbeiterpartei PT, sollte in seinem
Neuentwurf die größten Auswüchse kappen, ohne die mächtigen Farmer vor
den Kopf zu stoßen.
Illegale Waldrodungen
Sein Kompromiss sieht nun vor, dass die Landwirte immerhin einen
Teil der zerstörten Vegetation an Flussufern wiederaufforsten sollen -
theoretisch 210.000 Quadratkilometer im ganzen Land, wie der Agronom
Gerd Spavorek errechnet hat. 60 Prozent oder 340.000 Quadratkilometer an
bereits vernichteten Schutzgebieten sind davon jedoch nicht betroffen.
Illegale Rodungen bis 2008 sollen ganz straffrei bleiben.
Bevor der Senatsausschuss über
Vianas Entwurf abstimmte, hatten die Agrarier mit Regierungsvertretern
weitere Erleichterungen erzwungen. Empört kritisierte der PT-Senator
Luiz Lindbergh diese "Verhandlungen in der Stille der Nacht", Marina
Silva verurteilte die Sitzung, bei der die Agrarier den "historischen
Kompromiss" feierten, als "Paradebeispiel für die alte Politik".